Ein Weihnachtsgedicht
Kinder, seid ihr schon bereit: Freut euch, es ist Weihnachtszeit. Schokozeug und Tannenbäume, das Fest der unerfüllten Träume. Der Papa mit der Mama streitet, die Festgans in die Röhre gleitet, Zimtsterngeruch und Bratenduft durchmischen sich mit dicker Luft. Das Fest der Liebe keinen schont: Die Oma, die im Heim sonst wohnt, wird aus dem Schlafmantel gepellt und in der Wohnung aufgestellt. Statt Grieskochbrei und Haferschleim, wie sonst das ganze Jahr im Heim, gibt’s heut’ – gewürzt und gut geraten – `nen fetten, geilen Gänsebraten. Und sollt´ die Alte wieder speiben, kann sie ja im Spital dann bleiben. Denn sollte Oma heute sterben, würd´ das das Fest doch leicht verderben. Die Kinder toben, Mama spinnt, doch, Leute, wie die Zeit verrinnt: Es ist schon Abend, achtzehn Uhr! Wo bleibt das blöde Christkind nur? Bescherung! Jetzt nur bloß nicht schwächeln. Die Mama ist bemüht zu lächeln. Die Alte – ein bigottes Wesen – will etwas aus der Bibel lesen. Nachts ist´s, Kinder schlafen schon. Der Papa wählt ´nen and´ren Ton. Denn er will noch ein bisschen pudern. Die Mama tut „hab Kopfweh“ sudern. Dem Papa ist es einerlei, das Fest der Liebe ist vorbei, doch eins ist sicher, Leut´, fürwahr: Ich freu mich schon auf nächstes Jahr.